Der Trachten – Sneaker

Es ist das Wochenende der mehr als 3-wöchigen Wiener-Wiesn-Veranstaltung auf der Kaiserwiese,  sodass ich Euch einige Gedanken zum äußeren Erscheinungsbild dieses Mega-Events nicht vorenthalten möchte.

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Angestachelt durch den just im Kurier erschienenden Artikel, der den „Wiesn für daheim“-Baukasten und die Einweg-Lederhose aus Plastik beschreibt, aber auch mit der Frühlingswiesn und naheliegenderweise mit der Dauer-Wiesn auf der Kaiserwiese droht, habe ich mich gefragt, wie so ein importiertes Volksfest mit zweifelhafter Tradition eigentlich in Wien so explodieren konnte. Wir stehen staunend daneben, wenn 14jährige Mädchen mit barbusigem Dekolleté (welches Mama und Papa ohne Traditionskontext vermutlich nicht erlaubt hätten), gerahmt von Synthetik-Spitzen, sowie erwachsene Männer, deren stramme Waden in Polyester-Stulpen in Strickoptik getunkt sind, uns ab 12.00 mittags am Gehsteig in der Venediger Au sowie am Lift der U2 entgegenkommen.

Wenn ich das Dirndl, die Tracht und die Herkunft ein wenig erforsche, stoße ich auf Begriffe wie „traditionell, historisch, regionaltypisch“ oder davon, dass sie die „Zugehörigkeit zu einem Stand,  einer Konfession oder einer Bevölkerungsgruppe“ unterstreicht, aber vor allem die Begriffe „bäuerlich“ und „ländlich“ tauchen immer wieder auf, und zwar international.  „Handwerkskunst“, ok das interessiert mich, da lese ich weiter, die Schürze mit ihren Stickereien unterstreiche die Macht der Trägerin, sie hat dort schwere wichtige Schlüssel am Schlüsselband versteckt. Jetzt habe ich einen Hoffnungsschimmer, dass das Dirndl versteckte Informationen über ganz frühen geheimen Feminismus symbolisiert.

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Stattdessen muss ich von der braunen Vergangenheit des derzeit „modernen“ Dirndls lesen. Während das ursprüngliche, wirklich alte Dirndl von der südtiroler Ethnologin Elsbeth Wallnöfer als „ein grobes, wenig schmeichelhaftes Gewand ohne modischen Schnitt, das ganz im Sinne der katholischen Kirche mehrheitlich dazu diente, Arme, Beine und Dekolletee zu verdecken“ beschrieben wird, taucht das Plastik-Dirndl Ende der 1930er-Jahre in deutschen Modezeitschriften als Schnittmuster auf – mit dem Hinweis, „dass es jüdischen Frauen untersagt sei, diese Art von Kleidern zu tragen.“ Schockierend: Erst im Hitler-Deutschland wurde das Dirndl armfrei, sexy, mit angehobener Schürze.
(mehr vom Nazi-Kontext im Zeit Artikel, sh unten)

Eine auffallend positive Gegendarstellung liefert „Reclaim the Dirndl“, eine Gruppe Österreicherinnen,  die sich gegen Diskriminierung & Extremismus engagieren:

„Meine Tracht ist der Widerstand“ und „Never let the fascists have the Dirndl“,und denke hey, das ist ja richtig spannend! ob das auch beim Wiesn-Fest vorkommt??? Und warum findet so ein Fest mitten im urbanen Zentrum einer Stadt ohne Brauereitradition statt?

Mit diesen offenen Fragen und noch mehr Bildern vom Discount-Dirndl möchte ich gemäß Elsbeth Wallnöfer meinen heutigen Freitagsbeitrag abschließen:
„Wenn die Discounter Billig-Dirndl verkaufen, schließt sich der Kreis.“

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Übrigens gibts morgen, Samstag, 28. September am Ilgplatz einen Infostand von kfa ! beim Stuwerviertel Straßenfest (https://www.facebook.com/events/ilgplatz-1020-wien-%C3%B6sterreich/stuwerviertel-stra%C3%9Fenfest/455471141702009/ http://treffen.stuwer.info/).
Dort treffen wir uns, die weltlichen StädterInnen, ganz ohne Tradition und ohne viel Geschichte. Anziehen darf sich jeder wie er will – auch ein Dirndl! – ich schwöre!

Quellen der zitierten Texte:
„Immerwährende Wiesn“, Guido Tartarotti

Kurier-.JPG
https://www.zeit.de/2019/28/dirndl-trachtenmode-tradition-erotik
https://www.das-buendnis.at/magazin/reclaim-the-dirndl
Radiosendung
https://cba.fro.at/385463

Quellen der Discount-Fotos:
Google Bildersuche

Autorin: Nicole Raker

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